MEINE SCHWEIZREISE ZU H.R. GIGER

Nach der Veröffentlichung meiner Zeitung "Anti-De-Generation" gönnte ich mir eine kleine Reise in die Schweiz. Schon allein deswegen weil Giger's Frau Carmen mich zu sich nach Hause eingeladen hatte musste ich diesen Trip wagen. Wenn die königliche Familie einem Einlass gewährt, dann sollte man nicht zögern und sich schleunigst auf den Weg ins gesegnete Land machen.

Was für ein Glück! Es war mir vergönnt die letzten Tage einer Giger-Retrospektive im Bündner Kunstmuseum in Chur miterleben zu dürfen. Am letzten Abend der Ausstellung gab es sogar ein paar von Gigers alten Kurzfilmen zu sehen; und er war sogar persönlich anwesend. Dank der Museumsleitung durfte ich in der ersten Reihe, die eigentlich für Freunde des Malers vorgesehen war, Platz nehmen. Anscheinend viel ich der Direktion auf. Ich meine: ein Deutscher, der extra für Giger anreist und schon zum x-ten mal die Ausstellung besuchte, sollte in der ersten Reihe sitzen dürfen.
Ich kannte Giger ja schon von unserem Telefoninterview, doch jetzt, das erste mal Auge in Auge mit dem Propheten war richtig surreal. Er stand mit alten Badelatschen in einer öffentlichen Ausstellung vor Publikum. Echt klasse. Als man nach der Filmvorführung Fragen an den Künstler stellen durfte, wagte ich mich natürlich keiner Regung. Ich wusste ja, dass mich seine Frau ausdrücklich zu ihnen nach Hause eingeladen hatte. Nach der Vorstellung holte ich mir brav ein Autogramm und sprach noch kurz mit seiner Frau, um meinen Besuch in den nächsten Tagen anzukündigen. Als sie erfuhr, dass ich noch eine Weile in Chur bleiben müsse um etwas Geld für Benzin und Essen aufzutreiben, steckte sie mir 50,- Franken zu. Irgendwie schon ein imposantes Erlebnis.

Am selben Abend hatte ich noch vor Ort einen kleinen Gig. Die sogenannte "Werkstatt", in der auch schon Größen wie Hans Söllner oder Element of crime auftraten, hatte ein tolles Ambiente doch leider schienen die Schweizer von meiner Musik nicht besonders angetan zu sein. Dies äusserte sich auch in der spartanisch ausfallenden Kollekte im Anschluss des Konzerts. Man sollte ganz einfach nicht sein Konzert mit den Worten, "Guten Abend! Mein Name ist Andreas Karnatz und ich bin kein Terrorist sondern nur ein deutscher Tourist...", beginnen. Der Besitzer war überaus freundlich und lud mich sogar noch zum Essen ein. Nun, eines weiß ich seitdem. Ich esse nie wieder in meinem Leben Humus. Dieser grüne Knallerbsenbrei sah genau so aus wie er schmeckte. Trotzdem einen Dank und liebe Grüße an Nico. Die Schweizer, so wie ich sie erlebt habe, sind ein bedachtes und freundliches Völkchen, die ich irgendwie in mein Herz geschlossen habe.

In den nächsten Tagen arbeitete ich mich dann langsam durch das Schweizer Hinterland zum Giger Museum nach Gruyéres vor. Es war interessant zu sehen, wie inmitten all dieser Rösti- und Fonduerestaurants, jener schwarze Monolith von einem Museum stand. Dort im Spell-Room begreift man erst, was HR Giger geschaffen hat. Ich ziehe meinen Hut und bin angepisst über so viel Kreativität. Auf jeden Fall gönnte ich mir das ein und andere Getränk in der gegenüberliegenden Giger-Bar und genoss diese Zeit ausgiebig.

Als krönenden Abschluss meiner Reise empfing mich der Hohepriester und seine getraute Carmen in ihrem bescheidenen Reihenhaus in Zürich. Giger hatte zwar nur kurz für mich Zeit, aber wann erlebt man schon so etwas. Er signierte mir meine Zeitungen und anschließend machte Carmen von uns noch ein paar Fotos. Später unterhielt ich mich noch gut 2 Stunden mit ihr in der Küche über Gott und die Welt, inklusive einer Führung durchs Haus. Dort sah ich in Giger´s Atelier noch nicht beendete Bilder und fühlte mich privilegiert über solch Freundlichkeit einem eigentlich Fremden gegenüber. Giger fragte mich, ob ich denn schon den Garten gesehen hätte. Also kam ich, bevor ich meine Reise nach Hause antrat, noch in jenen Genuss. Dabei wuselten immer irgendwelche Arbeiter durch den verwilderten Garten und so musste ich zwangsläufig an Dracula denken. Jener Graf, der Lakaien für den Transport seiner fauligen Erde und Kisten beauftragt hatte. Sklaven im Dienste des Meisters. Ameisen darauf bedacht, das Reich der Königin, in diesem Fall Giger, weiter auszubauen. Und ich wusste, dass der einzige Mensch, dem ich Sklave sein wollen würde, Hansruedi Giger wäre.

Da der König mich nicht in die Reihen seiner Heeresscharen rief, war meine Mission erfüllt. Nach zwei Wochen im Auto wollte ich nur noch in einem anständigen Bett schlafen; und es wurde nachts langsam auch immer kälter. Dies war also im Nachhinein betrachtet das Einzige was mir meine Zeitung einbrachte. Jene Reise und das ich HR Giger etwas näher kennen lernen durfte. Es war ganz einfach groß und intensiv. Dieser Trip hat in meinem Gedächtnis schon jetzt eine mythische Qualität erreicht. Auf den Spuren des Meisters quer durch die Schweiz.

Als ich HR Giger mal in einem Traum fragte, warum er erst zögerte bei meiner Zeitung mitzumachen, antwortete er: "Na ja, ihre Sachen sind schon toll, aber sie hinken ein wenig, oder? Aber ich mach schon mit!" Und die Bestätigung, von seiner Seite, dass meine Arbeit Qualität besitzt, habe ich ja auch in der Realität bekommen. Doch diese Hochgefühle halten nur kurz an. Die Erinnerungen verblassen, blitzen auf und vergehen wieder all zu schnell. Man bleibt zurück mit einem Durst, der uns in einsamen Stunden fast vernichtet.

(Dieser Text wurde 2010 verfasst)

 
 
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